
Wochenimpuls zum Sonntag, 1. Oktober 2023
Ja – Nein – vielleicht doch?
(zu Mt 21,28-32)
Im Gleichnis Jesu von den zwei Söhnen des Weinbergbesitzers nimmt er Verhaltensweisen in den Blick, die wir alle nur zu gut kennen, die in jedem/r von uns stecken und je nach Situation entsprechende Folgen haben.
Sehen wir zunächst einmal auf den zweiten Sohn. Ihn lernen wir kennen als JA-Sager und Kopfnicker. Solche Menschen haben im gesellschaftlichen Leben gute Chancen, nach oben zu kommen. Sie schwimmen mit dem Strom, haben oft keine eigene Meinung oder trauen sich zumindest nicht, diese klar zu vertreten. Ein Kopfnicker und Ja-Sager hinterfragt nicht oder fast nie. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich selbst viel zu oft zu solchen Ja-Sagern gehöre und mein Tun oft nicht dem entspricht, was ich sage.
Gerade im Blick auf unsere Kirchen werfen sich mir grundlegende Fragen auf: Werden wir da nicht fast gezwungen, unkritische Ja-Sager zu sein? Das beginnt mit der Taufe und der Frage an Eltern und Paten: „Erklären sie sich bereit, Ihr Kind im Glauben zu erziehen?“ Was würde geschehen, wenn die Antwort ein „Nein“ wäre? Aber das passiert nicht, denn Eltern und Paten wissen, was sie zu sagen haben! Ebenso später am Tag der Erstkommunion, bei der Firmung und jedes Jahr in der Osternacht, wenn wir gefragt werden, ob wir zum Glauben an Gott stehen. Fast selbstverständlich antworten wir „Ja!“. Und in jedem „Amen“ im Gottesdienst sagen wir „Ja, so sei es!“ Ganz ehrlich: Stehen wir wirklich hinter all dem, wozu wir da unser „Ja“ und „Amen“ sagen? Und vor allem: Leben wir das, was wir da sagen?
Aber das finden wir nicht nur in der Kirche, sondern ebenso in unserem Alltag: Wie der zweite Sohn sagen wir oft schnell und unüberlegt „Ja“, „kein Problem“ – vielleicht aus Gewohnheit, oder um nicht anzuecken, oder aus Bequemlichkeit. Vielleicht weiß ich eigentlich, dass ich das alles gar nicht will oder auch gar nicht leisten kann. Ich hoffe dann, dass es keine Konsequenzen hat, wenn ich „Ja“ sage und nichts tue. Eine Konsequenz aber hat ein solches Verhalten in jedem Fall: Wenn Wort und Tat auseinanderfallen, entsteht ein Zwiespalt in mir selbst und zwischen mir und meinem Gegenüber: Denn trotz „Ja“ geschieht nichts, es bewegt sich nichts. Mein Wort bliebt ein leeres Versprechen.
Zwischen dem ersten und zweiten Sohn gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die zumindest auf den ersten Blick ehrlicher erscheint: Weder „Ja“ noch „Nein“, sondern „Vielleicht“ oder „mal sehen“. Eine solche Antwort bedeutet: Ich bleibe unverbindlich, mache nichts fest und lasse alles offen. Vom Ergebnis bedeutet dies in der Regel dasselbe wie beim zweiten Sohn: Ich habe nicht vor, den Auftrag anzunehmen und zu handeln, zumindest nicht gleich! Später allerdings ist dann meist anderes Wichtiger.
Nur welche Konsequenzen hat eine solche Antwort und Haltung, wenn jemand um etwas bittet oder wenn eine wichtige Sache ansteht? Wie geht es mir selbst dabei? Und vor allem: Wie wirkt eine solche Antwort in einer Beziehung? Kann ich mich auf so jemanden einlassen, mich auf jemanden verlassen? Wir alle wissen: Gerade im Blick auf Freunde, Partner und Familie trägt Unverbindlichkeit nicht weit. Auf jeden Fall ist klar: Wer sich nicht festlegen kann und will, wer Termine ewig offen und Beziehungen ungeklärt lässt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er/sie irgendwann allein da steht.
Natürlich ist es gut, nicht immer sofort „Ja“ zu sagen, vielmehr zuerst nachzudenken und nachzuspüren und sich dafür auch Raum und Zeit zu nehmen. Entscheidend ist jedoch, dass ich absehbar zu einem „Ja“ oder „Nein“ komme, denn sonst ist es wie beim zweiten Sohn: Es geschieht nichts. Es bewegt sich nichts, obwohl wir meist wissen und spüren, dass unser Einsatz gefordert und erwartet wird.
Dieses Nachspüren und Nachdenken finden wir im Evangelium beim ersten Sohn. Vermutlich war sein anfängliches „Nein“ schnell und ehrlich ausgesprochen, ohne großes Nachdenken: Das passt mir gerade gar nicht, deshalb „Nein“. Jedoch entwickelt sich aus seinem „Nein“ ein Zweifel und daraus letztlich ein „Ja“. Er geht einen Weg, bewegt die Situation in Herz und Gedanken – und traut sich dann, das zu tun, was er erkannt hat, selbst wenn das inkonsequent erscheinen mag.
Sicherlich hat jede/r von uns schon einmal erlebt, was ein solches „umkehren“ bedeutet und was es heißt, in seinem Handeln aus einem Nein ein Ja zu machen. Entscheidend dabei ist, dass dieser Wandel von innen kommt und nicht etwa durch Druck anderer Menschen. Manchmal geschieht eine solche Veränderung, wenn wir uns durch eine Begegnung berühren lassen, wenn uns eine Situation zu Herzen gegangen ist und uns die Augen geöffnet hat. Eine solcher Wandel, eine solche Umkehr ist befreiend: Ein Knoten löst sich in mir, weil ich nun das tue, was ich als gut und richtig erkannt habe.
Vielleicht ganz ohne Worte wird aus meinem „Nein“ durch mein Handeln ein strahlendes „Ja“. Es ist Umkehr und Bewegung dorthin, wo ich gebraucht werde und wo ich vielleicht ohne jedes Aufsehen das Nötige tue.
Ich persönlich spüre, dass beide Seiten unseres Evangeliums, beide Söhne in mir da sind. Wie oft bin ich viel zu schnell mit einem „Ja“ und will oder kann dieses „Ja“ gar nicht erfüllen. Umgekehrt tue ich mir oft schwer, aus einem „Nein“ ein „Ja“ werden zu lassen. Denn wirkt das nicht inkonsequent? Was sollen da die Anderen von mir denken?
Zugleich aber habe ich es schon oft erleben dürfen, wie sehr es wahrhaft und zuinnerst frei macht, wenn ich bereit bin, meine ursprüngliche Entscheidung zu revidieren und ich das, was getan werden muss tue. Das, was ich – vielleicht nach einem längeren inneren Ringen – erkenne und tue, das allein kann mich zu einem ehrlichen und authentischen Leben führen. Dazu gehört durchaus auch, zu lernen, immer wieder „Nein“ zu sagen. Entscheidend ist, ehrlich gegenüber mir selbst, gegenüber Mitmenschen, gegenüber Gott zu sein – und dann aus dieser Ehrlichkeit heraus zu handeln. Das genau ist der Weg, den uns Jesus heute vor Augen stellt.
Lasse ich mich darauf ein?
Reinhold Walter
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Oktober, 2023