
Wochenimpuls zum Sonntag, 04. Juni 2023
Wir glauben an den (drei-)einen Gott!?
(zu Mt 28,16-20)
„Wir glauben an den einen Gott“. So heißt es im sogenannten großen Glaubensbekenntnis. Es wurde im 4. Jahrhundert formuliert und verbindet einen großen Teil der christlichen Kirchen miteinander. Das ist unser christlicher Glaube und alles, was diesen Glauben ausmacht findet man in diesem Bekenntnis. Genau deshalb orientieren sich daran auch die meisten Katechismen, gleich, ob evangelisch, katholisch, orthodox oder methodistisch. So weit – so gut.
Aber? Ist damit wirklich alles gesagt und alles klar? Wenn ich heute 50 Christen danach frage, woran sie persönlich glauben – dann bekomme ich 50 verschiedene Antworten.
Zum einen liegt dies daran, dass dieses großartige Glaubensbekenntnis vor etwa 1700 Jahren entstand. Innerhalb des damaligen griechischen Denksystems wurde es in einer und fremden Sprache formuliert. Selbst für Spezialisten ist es heute nur noch schwer nachvollziehbar und zu verstehen.
Vor allem aber liegt es daran, dass wir alle nicht im luftleeren Raum glauben, sondern unser Glaube geprägt ist von persönlichen Erfahrungen, unterschiedlicher Erziehung, Prägungen durch Religionsunterricht, Erstkommunion, Konfirmationsunterricht, Firmvorbereitung und vielem anderen mehr.
Auf die entscheidende Frage, wer Gott für mich ist, kann man deshalb entweder den Katechismus zitieren – oder aber, jede/r sucht und findet seine je eigen persönliche Antwort, die aber sicherlich deutlich anders ausfällt als das, was im Glaubensbekenntnis formuliert ist.
Nochmals komplizierter wird es, wenn wir heute, am 4. Juni den Dreifaltigkeitssonntag oder Sonntag Trinitatis feiern. „Wir glauben an den einen Gott“, den wir aber zugleich als Vater, Sohn und heiliger Geist bekennen. 1+1+1=1 / 3=1 und 1=3. Das ist christliche Mathematik. Nicht nur meine Schüler/innen im Religionsunterricht haben damit ihre Schwierigkeiten, sondern – wenn wir ehrlich sind – die allermeisten Christen.
Theologen haben in der Geschichte erbittert über diese Aussage gestritten. Die Spaltung zwischen orthodoxer und katholischer Kirche wird auf Glaubensunterschiede im Blick auf die Dreifaltigkeit Gottes zurückgeführt. Glauben wir wirklich an den einen Gott???
Mir selbst helfen oft Bilder mehr als dicke und wortreiche Bücher. Ein Bild zeigt einen Schlussstein in einem gotischen Gewölbe. Dieses Bild irritiert: Ist das nun ein Fisch, oder sind es drei Fische? Drei Fischkörper, aber nur ein Kopf. Siamesischer Drillinge sozusagen. Logisch nicht fassbar und jeder nüchternen Realität widersprechend, aber künstlerisch genial gestaltet.
Ein anderes Symbol und Bild für den dreifaltigen Gott findet man in vielen Kirchen: das Dreieck. Mathematiker werden zustimmen, wenn ich sage, dass es sich dabei um eine einzige Fläche handelt, die aber begrenzt und gebildet ist von drei oft unterschiedlichen Seiten. Und je nach Betrachtungswinkel zeigt sich dieselbe Figur ganz unterschiedlich.
Eine ganz besonders spannende Darstellung der göttlichen Dreifaltigkeit ist für mich ein Fresko in der oberbayrischen Kirche Urschallung. Drei Gesichter, drei Personen, zusammenwachsend zu einer einzigen mit nur zwei Händen und Beinen. Darüber hinaus ist interessanterweise und biblisch fundiert der Heilige Geist in die Mitte gestellt als die eindeutig weibliche Seite Gottes.
Gott – dreifaltig – das bedeutet für mich vor allem, dass der eine Gott, an den wir Christen glauben, kein monolithischer Block ist, der unveränderlich irgendwo thront. Nein, schon biblisch offenbarte sich Gott immer wieder auf neue und andere Weise, je nachdem, wie wir Menschen Gott erkennen und annehmen können. Gott als der Urkraft, aus der alles geworden ist. Gott in Feuersäule und stillem Säuseln. Gott im Menschen Jesus von Nazareth. Gott als Energie, die alles in unserer Welt in Bewegung hält. Gott als Liebe, die uns Menschen miteinander verbindet.
Mit der Dreiheit biblisch eigentlich Unendlichkeit gemeint. Sie ist nicht wörtlich und im mathematischen Sinn zu verstehen, sondern als Bild der unendlichen Vielfältigkeit des einen Gottes. Deshalb sollte kein Mensch und Christ meinen, diese Vielfältigkeit je umfassen und begreifen zu können.
Vielleicht begegnet mir heute Gott vor allem in seiner menschlichen Seite – in Jesus oder aber auch in der Liebe eines Mitmenschen. Vielleicht ist es morgen die Ergriffenheit über die Schönheit der Schöpfung – in der Natur oder einem neugeborenen Kind. Vielleicht ist es die Erfahrung einer tiefen inneren Ruhe oder Kraft, die mich bewegt und wandelt. Vielleicht finde ich Gott in der Stille einer Kirche oder aber weit außerhalb von Kirche und Gottesdienst. Ja, ich glaube an den einen Gott, der mir und uns Menschen in unendlich vielfältiger Weise begegnet.
Zu diesem Bild gehört für mich auch der Reichtum der unterschiedlichen Kirchen.
Verbunden sind wir alle durch das Wort der einen Schrift und im gemeinsamen Bekenntnis zum dreifaltigen Gott. Zeichenhaft besonders sichtbar wird diese Verbindung untereinander in der einen Taufe, die in den einzelnen Kirchen zwar unterschiedlich gefeiert wird, aber immer als Hineinnahme in die Liebe des drei-einigen Gottes bekannt wird. Deshalb werden Christen bei einem Übertritt aus der einen in die andere Kirche ja auch nicht neu getauft – denn die eine Taufe verbindet uns untereinander.
Deutlich wird dadurch: Es ist der eine Gott, der uns alle miteinander verbindet. Es gibt keinen evangelischen oder katholischen oder orthodoxen Gott. Miteinander glauben wir an den einen Gott.
Darauf dürfen wir schauen und darauf bauen. Nicht unsere oft kleinlichen Streitereien zwischen Kirchen und Gemeinden sollten die Menschen sehen, sondern unser gemeinsames Zeugnis für den drei-einen Gott.
Daran glaube ich.
Reinhold Walter
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Juni, 2023